Die Cannabis-Legalisierungswelle ist ein harter Schlag für die Alkoholindustrie in den USA. Neuen Berichten zufolge schwindet der Markt für alkoholische Getränke in den Staaten, wo der Verkauf von Marihuana als Genussmittel entkriminalisiert wurde, deutlich. Dass die amerikanischen Jugendlichen seit der Legalisierung Marihuana dem Biertrinken vorzuziehen scheinen, hat ein regelrechtes wirtschaftliches Erdbeben ausgelöst. Und während die Cannabis-Industrie rasant wächst, sinken die Preise für ihre Produkte in den Keller.
Eins der großen Rätsel bei der Cannabis-Legalisierung war, was mit der Alkoholindustrie passieren würde. Unter den zahlreichen Mythen, mit denen Marihuana in den letzten Jahrzehnten in Verbindung gebracht wurde, war die Idee, dass es als Einstiegsdroge zum Konsum anderer Drogen verleiten würde, einer der am weitesten verbreiteten. Heute gibt es Hinweise darauf, dass Cannabis vielmehr einen Ausweg aus der Sucht darstellt, vor allem aus dem Alkoholismus. Eine von der Universität von Connecticut und der Georgia State University durchgeführte Studie hat nun gezeigt, dass der Verkauf von alkoholischen Getränken mit der Einführung Cannabis-freundlicher Gesetze in bestimmten Bundesstaaten deutlich zurückgegangen ist. Die Studie hat Daten von 2006 bis 2015 aus 2000 Countys miteinander verglichen und so herausgefunden, dass die Verkaufszahlen für Alkohol in den Staaten, wo Marihuana legalisiert wurde, 15 % abgenommen haben. Manch ein Schwarzmaler mag zwar prophezeit haben, die Cannabis-Legalisierung würde nur den Konsum von Alkohol und anderen, härteren Drogen fördern, doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Nach den Schlussfolgerungen dieser Studie scheint Marihuana Alkohol vielmehr zu ersetzen. Dass der Alkohol-, Wein- und Bierverkauf in den Staaten, in denen Cannabis grünes Licht bekommen hat, so eingebrochen ist, könnte natürlich für einen vorübergehenden Effekt gehalten werden, der auf die Neuheit der ganzen Situation zurückzuführen ist. Tatsächlich spricht der Bericht jedoch von einer klaren Tendenz, die auch 24 Monate nach der Verabschiedung der Gesetze noch anhält. In Regionen wie Kalifornien und Colorado tritt diese dabei ganz besonders deutlich in Erscheinung: Aspen, eine Kleinstadt in den Rocky Mountains von Colorado, ist sogar die erste Stadt in den USA, in der mehr Marihuana verkauft wird als Alkohol.
Die touristische Stadt, die vor allem als Skigebiet bekannt ist, hat 2017 11,3 Millionen Dollar (rund 9,7 Millionen Euro) mit dem Verkauf von Marihuana verdient, aber „nur" 10,5 Millionen Dollar (etwas über 9 Millionen) mit dem von Alkohol – damit schwingt sich die „grüne Industrie" zur am schnellsten wachsenden Einzelhandelsbranche der Stadt auf. Zum ersten Mal seit der Legalisierung in Colorado läuft Cannabis Alkohol so klar den Rang ab. Dass dies ausgerechnet an einem Ort wie Aspen geschieht, sagt einiges. Die Gebirgsstadt ist ein Ziel für Touristen, die sportliche Erlebnisse suchen, sowohl im Sommer als auch im Winter – und Alkoholrausch und Kater sind wahrlich nicht die beste Voraussetzung, um die Naturkulisse vor Ort genießen zu können! Scheinbar haben die Besucher von Aspen in Marihuana, das einen verantwortungsvolleren Umgang erlaubt, den perfekten Ersatzbegleiter für ihre Ski- oder Wanderpläne gefunden. Der Fall Aspen mag nach einem Einzelphänomen klingen, tatsächlich aber scheint er ein weiteres Anzeichen für den Sinneswandel darzustellen, den die Amerikaner gerade durchmachen. Zudem zeigt auch eine von OutCo und Monocle Research durchgeführte Studie auf, dass Kalifornier um die 20 seit der Legalisierung weitgehend Bier durch Marihuana ersetzen. Und auch die Brauereiindustrie in Staaten wie Colorado, Oregon und Washington verdient seit der Änderung der Cannabis-Gesetzgebung immer weniger.
Könnte Cannabis das Bier-Imperium also tatsächlich vom Thron stoßen? Bislang lässt sich dies noch nicht abschätzen; dass Marihuana harte Konkurrenz ist, weiß die Alkoholindustrie aber ganz genau. Nicht umsonst kam vor ein paar Jahren über Wikileaks heraus, dass die California Beer and Beverage Distributors 2010 die Kampagne gegen die Bill 19, den Gesetzesentwurf zur Cannabis-Regulierung in Kalifornien, finanziert hatten. Ob es nun am Druck der großen Alkohol-Firmen lag oder nicht, Tatsache ist, dass das Legalisierungsverfahren damals eingestellt wurde – bis es 2016 nicht mehr aufgehalten werden konnte. Immer mehr Experten aus dem Gesundheitswesen sind sich einig, dass der Konsum von Alkohol generell viel schädlicher für die Gesellschaft ist als der von Marihuana. Im Gegensatz zu Alkohol ist Cannabis in keiner Dosierung tödlich und auch nicht für derart viele Unfälle im Verkehr oder derart viel Gewalt und Aggressionen verantwortlich. Die Legalisierung ist deshalb auch als Lösung für den exzessiven Alkoholkonsum in den USA ins Gespräch gerückt, der nach Daten der Centers of Disease Control and Prevention pro Jahr fast 90 000 Leben kostet.
Cannabis-Industrie im Aufschwung
Während die Verkaufszahlen für Alkohol in den Keller gerasselt sind, klettern die von Cannabis kontinuierlich nach oben. 2017 hat das Department of Revenue von Colorado einen Anstieg der Cannabisverkäufe um fast 19 % verzeichnet; diese haben sich also seit der Legalisierung von Marihuana als Genussmittel 2014 verdoppelt. Allerdings scheinen die Preise zunehmend zu sinken, je weiter die „grüne Industrie" wächst: Von 2016 bis 2017 nahmen sie fast 13 % ab; und 2018 soll sich dieser Trend Einschätzungen zufolge fortsetzen.
Manche Experten erklären dies damit, dass es bislang international noch kaum Fälle gab, anhand derer man die Auswirkungen eines legalen Marihuana-Marktes abschätzen können hätte. Die Marihuana-Bauern hätten deshalb nicht richtig kalkulieren können und einen Ernteüberschuss produziert, dem nur mit einer Preissenkung zu begegnen war. Andere wiederum sind überzeugt, dahinter stecke eine ausgeklügelte Strategie der Cannabis-Großkonzerne, die versuchen, den Markt zu übernehmen, indem sie die Preise soweit senken, dass kleinere Produzenten nicht mehr mithalten können. Wie dem aber auch sei, eins ist sicher: Die Cannabis-Industrie gewinnt gerade rasant an Boden in den USA, und dies zumindest zum Teil auf Kosten des Markts für alkoholischen Getränke. Die Marihuana-Legalisierung könnte damit ein effizientes Mittel sein, dem gravierenden Problem, das der exzessive Alkoholkonsum für die öffentliche Gesundheit Amerikas bedeutet, ein Ende zu bereiten.
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