Hohe Steuern, ein striktes Lizenzsystem, dem viele eigentlich längst etablierte Firmen nicht gerecht werden, Widersprüche zwischen lokalen und staatlichen Gesetzen sowie Laborkontrollen, die zum Nadelöhr mutieren – solche Faktoren haben dazu geführt, dass es mehr als ein halbes Jahr nach der Legalisierung des Genussmittelkonsums in Kalifornien in Sachen Marihuana keineswegs so rosig aussieht wie erwartet.
Kalifornien ist der „grüne" Hoffnungsträger. Man handelte es als den größten Cannabismarkt der Welt in spe, der am meisten Geld in die Staatskassen schaffen würde. Doch mehr als ein halbes Jahr nach der Legalisierung des Genussmittelkonsums bietet sich ein weitaus weniger rosiges Panorama als erhofft.
Das zweite Quartal hat Kalifornien „grüne" Steuereinnahmen in Höhe von 74 Millionen eingebracht, darunter 4,5 Millionen für den Anbau, 43,5 Millionen für den Konsum und 26 Millionen für den Verkauf von Marihuana. Das ist eine Steigerung von 22 % im Vergleich zu den ersten drei Monaten des Jahres, wo die Einnahmen bei 60,9 Millionen lagen, aber immer noch weit unter den Erwartungen des Gouverneurs Jerry Brown, der für die erste Jahreshälfte von 2018 mit Steuergeldern in Höhe von 185 Millionen rechnete – allein aus den beiden am 1. Januar neu eingeführten Steuern auf Konsum und Anbau. Tatsächlich brachten letztere Posten die ersten sechs Monate über nur 82 Millionen ein – mehr als 100 Millionen weniger als erwartet.
Dieses ernüchternde Ergebnis hat in der kalifornischen Cannabisindustrie kaum jemanden überrascht, da sich beim Übergang vom soliden medizinischen Markt zum bislang wenig effizienten, überregulierten Genussmittelmarkt viele Probleme aufgetan haben. Den hohen Versprechungen, dem Schwarzmarkt Einhalt zu gebieten, ihn auf legales Gebiet zurück zu zwingen und so die Staatskassen zu füllen, wurden die neuen Gesetze bislang nicht gerecht.
Dass Kaliforniens legaler Cannabismarkt derart hinter den Erwartungen zurückbleibt, liegt an verschiedenen Faktoren: dem schwierigen Zugang zu legalem Marihuana an vielen Orten Kaliforniens, deren lokale Vorschriften den staatlichen widersprechen, den unzähligen Auflagen bis zur Lizenzvergabe, den hohen Kosten für die Anpassung an die neuen Gesetze, die die Gewinnspanne erheblich schmälern, den scharfen Qualitätskontrollen, die die Labore zum Nadelöhr machen und die Verfügbarkeit der Produkte erheblich beeinträchtigen, aber auch der Tatsache, dass Cannabis-Unternehmen nicht auf Bankleistungen zugreifen können, und den hohen Steuern, aufgrund derer der Schwarzmarkt für (zu) viele Konsumenten immer noch die attraktivere Option ist – staatliche Fehler haben dem legalen Cannabismarkt viele Steine in den Weg gelegt!
Höhere Preise als der Schwarzmarkt – nicht wettbewerbsfähig
In weiten Teilen Kalifornien gibt es nicht genug dispensaries, umso mehr, als diese Geschäfte aufgrund der hohen Steuern und der nicht minder hohen Kosten, die sie aufwenden müssen, um alle notwendigen Auflagen (Arbeitnehmerrechte, Lizenzvergabe, Qualitätskontrolle usw.) zu erfüllen, häufig nur ganz schwer attraktive Preise anbieten können. Das führt dazu, dass eine beunruhigend große Zahl von Konsumenten nach wie vor auf den Schwarzmarkt ausweicht.
Nach einer aktuellen Studie haben 17 % der Kalifornier, die zwischen April und Juni Cannabis gekauft haben, dies mindestens einmal bei Verkäufern ohne Lizenz getan. 84 % räumten ein, es mit „hoher Wahrscheinlichkeit" wieder zu tun, da „der illegale Markt günstigere Produkte ohne Steuern biete". Dem Bericht zufolge würde eine Reduktion der Steuerlast um 5 % bereits ausreichen, damit immerhin 23 % dieser Schwarzmarkt-Kunden auf den legalen Markt wechseln. Denn eigentlich betonen die Kunden, die sehr wohl in den legalen Geschäften einkaufen, längst, wie viele Vorteile dies birgt: qualitativ hochwertige und beständige Produkte, Sicherheit, Kundenbetreuung, zuverlässige Etikettierung, eine wiedererkennbare Marke usw.
„Der illegale Markt ist uns zahlentechnisch deutlich überlegen", erklärt Kenny Morrison, der Präsident der California Cannabis Manufacturers Association. „Wenn man in eine x-beliebige Stadt geht, findet man vier legale Geschäfte und 20 illegale. Und das Schlimmste ist, dass diese vier legalen Geschäfte zwei bis dreimal höhere Preise als die illegalen verlangen."
Eingeschränkter Zugang zu legalem Cannabis
Die Zahl der dispensaries mit Lizenz ist seit der Legalisierung des Genussmittelkonsums eingebrochen: Von den 1100, dies es in Kalifornien vor der Regulierung gab, sind laut Daten von BDS Analytics noch 410 übrig. Außerdem ist auch die Zahl der Lieferdienste von 2000 auf 116 zurückgegangen, seit die neuen Vorschriften in Kraft traten. Was die Cannabisbauern betrifft, so geht man davon aus, dass sich rund die Hälfte der 50 000 bis 60 000 kalifornischen Cannabis-Farmen, besonders die kleineren Betriebe, zwischen ihrer Schließung und dem Wechsel auf den Schwarzmarkt entscheiden mussten.
Dank des – schon seit Jahrzehnten funktionierenden – medizinischen Markts hatte Kalifornien die größte und langlebigste Cannabisindustrie der USA, als am 1. Januar der Genussmittelkonsum legalisiert wurde. Das einst gut ausgebaute Netzwerk von Produzenten, Vertriebshändlern und Verkäufern zerschellt jedoch nun an zwei großen Hindernissen: dem langsamen, zu restriktiven Lizenzierungssystem – die wenigen Unternehmen, die ihre Lizenz erhalten, können mit den weitaus zahlreicheren, die nach wie vor warten, natürlich keine Geschäfte machen – und lokalen Vorschriften in den konservativeren Teilen Kaliforniens, die den Verkauf von Marihuana der Bewilligung auf staatlicher Ebene zum Trotz nach wie vor einschränken oder verbieten. Nach der California Growers Association sind 70 % des Staatsgebiets solche pot deserts („Graswüsten"). Mit anderen Worten: Rund 75 % der kalifornischen Bevölkerung sind betroffen.
Viele von ihnen führen einen erbitterten Kampf, um Zugang zu legalem Cannabis zu erhalten, über neue Gesetzesvorschläge und sicher auch bald vor Gericht. Eins dieser Gesetze etwa soll die Zulieferung der „grünen" Produkte ermöglichen, stößt aber auf Widerstand, da viele dies als Untergrabung der Autorität der lokalen Behörden auffassen. Kurz gesagt: Es sieht nicht so aus, als würde sich die Lage bald entspannen.
Die Labore als Nadelöhr
Bevor sie zum Verkauf angeboten werden, müssen Cannabisprodukte Labortests überstehen, die überprüfen, ob sie den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Die bislang gültige Liste von Pestiziden oder anderen Substanzen, die nur begrenzt verwendet werden dürfen oder ganz verboten sind, wurde bereits am 1. Juli und wird am 31. Dezember abermals ausgeweitet.
Laut Bryce Berryessa, einem Unternehmer aus der Branche sowie Mitglied der California Cannabis Manufacturing Association und der California Cannabis Industry Association, hat sich der Preis der Tests infolge der strengen Vorschriften vervier- oder gar verfünffacht. Angesichts derart hoher Kosten bleiben den Cannabisfirmen zwei Möglichkeiten: die deutlich geschmälerte Gewinnspanne in Kauf zu nehmen oder die Kosten auf die Verbraucher abzuwälzen, indem sie die Preise hochsetzen, damit aber im Vergleich zum Schwarzmarkt nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein. Zudem werden viele Produkte, die die strikten Qualitätskontrollen nicht überstehen, schlussendlich ohnehin häufig auf illegalem Weg verkauft.
Das Problem geht jedoch noch viel weiter, denn die Kontrollverfahren sind keineswegs nur langsam und teuer. Da es keine klaren Richtlinien darüber gibt, wie die Analysen durchgeführt werden müssen, variieren die Ergebnisse je nach Labor zum Teil stark. Ein Produkt kann je nach dem Test, der angewendet wurde, einmal sehr wohl auf den Markt gebracht werden, ein anderes Mal nicht.
Rechnet man zu all dem noch die Hürden, mit denen alle amerikanischen Bundesstaaten zu kämpfen haben, z. B. den fehlende Zugang zu Bankleistungen, sowie andere, regierungsunabhängige kalifornische Probleme wie etwa die vernichtenden Dürreperioden oder Waldbrände hinzu, so ist glasklar, warum Cannabis im Golden State nicht den erhofften Senkrechtstart hingelegt hat. Und während der einst als größter Marihuana-Markt in spe gehandelte grüne Hoffnungsträger sich mit den unzähligen Steinen abkämpft, die man ihm in den Weg gelegt hat, floriert der Schwarzmarkt – und die Gelder, die die Pflanze eigentlich einbringen sollte, kommen nie in den Staatskassen an.
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