Für Wein gibt es Sommeliers, für Käse Fromeliers, und auch Kaffee hat seine Verkoster. Könnte es da nicht auch für Marihuana „Interpener“ geben? Das Trichome Institute, ein Cannabis-Bildungs- und -Zertifizierungszentrum, hat eine als interpening bezeichnete Methodologie entwickelt, die helfen soll, Terpene zu identifizieren, besser zu verstehen und die Qualität einer Pflanze anhand der Terpene zu bestimmen, die sie enthält.
Bei der Wahl einer Cannabissorte achten die meisten Konsumenten auf drei Begriffe: Indica, Sativa und Hybride. Sativas werden gemeinhin mit kräftigender Wirkung, Indica mit Entspannung und Hybriden mit einem Effekt dazwischen assoziiert, doch viele von uns wissen, dass diese Faustregel keineswegs immer stimmt.
Aus diesem Grund hat das Trichome Institute, ein Bildungszentrum in Denver (Colorado), das seine Schüler zu Cannabis-Sommeliers ausbildet, ein Lehrprogramm entwickelt, das Cannabis-Konsumenten eine verlässlichere Methode, die Wirkung einer Marihuanasorte vorherzusagen, bieten soll.
Besagte Methode wird als interpening bezeichnet – ein Neologismus aus den englischen Wörtern für „interpretieren" und „Terpen" – und basiert auf der Idee, dass die Effekte einer Marihuanasorte durch das Aroma der Buds vorhergesagt werden können. Das liegt daran, dass die Cannabisblüten aromatische Öle produzieren, die Terpene enthalten und besagte organische Verbindungen nicht nur verschiedene Aromen, sondern auch einmalige Effekte ergeben.
Terpene als Protagonisten
Ihr könnt euch das Ganze ein wenig wie Aromatherapie vorstellen. Ätherisches Lavendelöl einzuatmen beispielsweise entspannt den Körper, was dem Effekt von Terpenen wie Linalool zu verdanken ist. Andere Terpene wie Pinen (das nach Kiefern riecht) haben eine stimulierende Wirkung. Über das Terpen Limonen weiß man, dass es Marihuana eine Zitrusduft verleiht, während Caryophyllen für Schokoladenaroma sorgt und Myrcen für einen erdigeren Duft. Und natürlich hat jedes dieser Terpene einen anderen Effekt.
Myrcen beispielsweise soll eine beruhigende Wirkung haben, und dies könnte auch der Grund sein, warum Sorten mit Indica-Dominanz, die meistens mehr Myrcen enthalten, beruhigend wirken. Nach dem Steep Hills-Labor in Berkeley, Kalifornien, wird Marihuana mit mehr als 0,5 % Myrcen als beruhigend wirkende Indica-Sorte klassifiziert, während Cannabisproben mit weniger als 0,5 % ihres Gewichts als Sativas einzuordnen sind, die sich durch ihre stimulierende, kräftigende und zerebrale Wirkung auszeichnen.
Das ist zwar eine sehr vereinfachte Sichtweise, veranschaulicht aber sehr gut, dass die Menge an THC und CBD zwar sehr wohl das psychoaktive Potenzial einer Sorte bestimmen mögen, aber auch immer mehr Konsumenten daran glauben, dass die Terpene über den beruhigenden oder stimulierenden Effekt entscheiden.
Jenseits des Namens einer Genetik
Die einstige Schwarzmarkt-Industrie ist regelrecht explodiert – aber ohne jederlei Regelung bezüglich der Namen und der Identifikation der Arten von Marihuanasorten. In Colorado beispielsweise gibt es mindestens 250 Blue Dream-Arten, wobei 249 von ihnen gar keine Blue Dream sind. Man muss sich also daran gewöhnen, die Pflanzen genauer unter die Lupe zu nehmen und so vage Dinge wie die Bezeichnungen oder sogar den THC-Gehalt (der nicht der ausschlaggebende Faktor ist, was die Wirkung angeht) zu ignorieren.
Die Interpening-Methode, die am Trichome Institute gelehrt wird, befähigt die Studenten, Marihuanasorten nicht nur am Aroma selbst zu unterschieden, sondern auch anhand des Bereichs in der Nase, in dem sie dieses wahrnehmen. Denn wenn man das dominante Terpen einer Cannabisprobe sowie besagte Zone in der Nase identifiziert, kann man auch darauf rückschließen, welche Art von Wirkung diese konkrete Mischung haben wird, wenn man sie raucht.
Der Geruch von Sativa-Sorten ist so eher in den oberen Nasenregionen nahe der Schläfen wahrnehmbar, während die stärker duftenden Indica-Pflanzen sich im unteren Teil der Nase bemerkbar machen.
Als Cannabis-Sommelier muss man jedoch auch in der Lage sein, die Sorten zu erkennen, die der Logik und den Naturgesetzen trotzen, wie die Hybrid-Genetiken. Dies ist beispielsweise der Fall bei der in Colorado hochbeliebten Gorilla, einer Pflanze, die gleichzeitig wie eine Sativa und eine Indica wächst und wirkt, was für die Nutzer teilweise sehr verwirrend ist.
Auch Labore haben mitzureden
Das Aroma einer Sorte, bei dem häufig ein Terpen überwiegt, repräsentiert jedoch nicht immer alle Terpene, die in einer Probe vorliegen, sodass man ohne eine Überprüfung im Labor nicht wissen kann, ob die Ergebnisse des Interpening-Tests stimmen.
Ebendies ist auch die Position des Steep Hill-Labors in Berkeley, Kalifornien, eines Cannabis-Analyse- und Forschungszentrums, das den Bauern, Apothekern, Herstellern und Konsumenten zu einem klareren Verständnis der wissenschaftlichen Methoden verhelfen will, wie es auf der Website heißt.
Dem Labor zufolge ist die Interpening-Methode besser als nichts, aber kein Ersatz für wissenschaftliche Tests. Die einzige verlässliche Methode, die Terpene in einer Cannabisprobe zu bestimmen, sei und bleibe die Analyse im Labor, da bestimmte Schadstoffe bzw. Verunreinigungen nur sehr schwer über den Geruchssinn detektiert werden können.
Das Forschungszentrum warnt vor dem sogenannten Dabbing, da bei derart großen, konzentrierten Mengen von Cannabinoiden auch beachtliche Mengen von Pestiziden mit eingeatmet und somit zum reinsten „Gift für die Konsumenten" werden können. Pestizide zu identifizieren lernen wäre also zweifelsohne auch ein sehr interessantes Ziel für die neue, auf der menschlichen Nase beruhende Detektionsmethode.
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